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Channel: Oper auf Papier - historische Programme, Bilder und Zeitschriften aus meiner Sammlung
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Das "Welttheater" und das "Mirakel" auf den Salzburger Festspielen 1925

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In einer Sammlung wie meiner Bibliothek zur Opern- und Theatergeschichte findet sich doch immer noch mehr, als man auf den ersten Blick hin glaubt, und es tauchen dann auch wieder Bücher auf, von denen man gar nicht mehr wusste, dass man sie hat! Bei meiner Suche, etwas mehr über das "Welttheater" und das "Mirakel" herauszufinden, fiel mir ein Buch über die Salzburger Festspiele in die Hand. Es handelt sich um das "Salzburger Festspielbuch" von Wolfgang Schneditz, erscheinen in 3. Auflage 1958.









Es enthält auch ein einziges (kleines) Foto zu dem Thema:





Zur weiterführenden Information zitiere ich hier ein Kapitel (von Seite 100 bis 105) aus dem genannten Buch:



RELIGIÖSE  WEIHESPIELE

Die ins Volk eindringende Wirkung seines „Jedermann", die er 1920 in so hohem und be­glückendem Maße erleben und mitansehen durfte, spornte den Dichter an, für das Jahr 1922 eine der großen religiös-symbolischen Dichtungen des Spaniers Calderon zum Ausgang und Anlaß für eine eigenständig geformte, auf das Salzburger Milieu abgestimmte, dramatische Dichtung zu nehmen. Es entstand das „Salzburger große Welt­theater".

Das ungeheure und unerwartete Erleben der „Jedermann"-Vergegenwärtigung und Verewigung durch Max Reinhardt hatte Hofmannsthal thea­tralische Impulse verliehen, wie er sie in dieser Art vordem noch nicht in sich empfunden hatte. Seine starke und von tiefstem Verständnis be­wegte Vorliebe für die Welt des Barock ließ ihn diese religiöse Dichtung, die das „Welttheater" darstellt, gestalten, und zwar aus einer Gottbezogenheit heraus, die seiner, vor allem dem Künstlerischen entspringenden religiösen Vor­stellungswelt und Verinnerlichung entsprach.

1925 äußerte er sich in dem damaligen Salz­burger Festspielalmanach: „Die so erfahrene Be­lobung und Ermutigung, auf die halbvergessene volkstümliche Form mit geziemender Freiheit zurückzugreifen, die Erlaubnis sodann, ausnahms­weise in einer katholischen Kirche das Spielgerüst aufschlagen zu dürfen, worin viel Ehre und große Verantwortung lag, führten zu dem zweiten Ver­such, jenem alten traditionellen Stoff: das Welttheater', auf welchem die Menschen vor Gott ihr Lebensspiel aufführen, einen neuen Gehalt zu geben, worin Zeitgemäßes zum Ausdruck käme, ohne von dem volksmäßigen, in sinnfälligen Bil­dern sich auswirkenden Stil abzugehen. Dem so entstandenen Spiel für immer den Namen des ‚Salzburger Welttheaters' zu geben, war eine Regung der Dankbarkeit für das durch ein Zu­sammentreten unschätzbarer Umstände hier er­fahrene Gute." Das Neue, Große war Reinhardts Idee der Aufführung dieses religiösen Spieles vor dem Hochaltar der von Fischer von Erlach er­bauten Kollegienkirche. Hier geschah, was man wiederum nie vorher gesehen hatte: das Himm­lische schien mit dem Irdischen kirchenraum-behütet innige Einheit eingegangen zu sein. Das Geschehen selbst war einfach, die symbolischen Figuren des Königs und des Bauern, des Reichen und des Bettlers, der Schönheit und der Weisheit, der Frau Welt und des Todes spielten ihr ewiges Spiel weltlicher Eitelkeit, menschlichen Vergehens und göttlicher Entrückung — doch blieb diesem »Welttheater" Hofmannsthals, obwohl es sich scheinbar so schlicht und klar und großlinig darstellte ein nur annähernder Erfolg, wie er dem „Jedermann" beschieden war, versagt, weshalb man dieses Weihespiel, das denen zwar, die es sahen, unvergeßlich blieb, nur noch einmal aufgriff. Große schauspielerische Leistungen vollbrachten darin Else Wohlgemut, Louis Rainer, Raoul Aslan, Wilhelm Dieterle, Alexander Moissi und Anna Bahr-Mildenburg. Die Musik stammte wie bei „Jedermann" von Einar Nilson.

Sehr zeitgebunden und nicht von der dichte­rischen Größe Hofmannsthals überstrahlt, aber doch von starker Bühnenwirksamkeit, bot sich 1925 die zweiaktige Pantomime „Das Mirakel" von Karl Vollmoeller dar — eine etwas phan­tastische Geschichte, Legende halb, halb Ballade, in der Atmosphäre mittelalterlicher Klosterstrenge spielend. Es war bestimmt das größte Experiment der Salzburger Festspiele, ein Experiment aber, dessen Erfolg die regieliche Leitung Max Reinhardts neuerdings gewährleistete. Der durch seine Oper „Hänsel und Gretel" weltberühmte Kompo­nist Engelbert Humperdinck hatte märchenschöne Weisen dem seltsamen, übersteigerten und nicht aus Empfindung religiösen Weihespiel unterlegt. Als Sensation, und das beweist die nicht innerliche Weihe der Pantomime am krassesten, wurde die Mitwirkung der bildhaft-schönen englischen Schau­spielerin Diana Manners, recte Lady Diana Cooper, empfunden, welche die Madonna gab und aus einem eigens für sie konstruierten Mantel, in dem sie volle dreiviertel Stunden ohne leiseste Regung zu verharren hatte, in wunderbarer Weise heraus­stieg und sich der gefallenen Nonne annahm, die auch von einer Engländerin dargestellt wurde. Grandios geführte Massenszenen im Sinn der mittelalterlichen Ekstase, ein prunkvoller szeni­scher Rahmen, eine Reihe großer Schauspieler ließen diese Sensation zum vollen und schlagenden Tageserfolg der Salzburger Festspiele werden. Die Nonne wurde abwechselnd von Ellen Terry und Rosamond Pinchot dargestellt; andere, bedeutende Mitspieler waren Anna Bahr-Mildenburg, Wilhelm Dieterle, Oskar Homolka, Louis Rainer und Her­mann Thimig. Das Bühnenbild hatte Eduard Hütter entworfen.

„Mirakel" und noch einmal das große „Salz­burger Welttheater" wurden in diesem Jahr zum erstenmal in dem vorläufig durch Regierungsober­baurat Hildmann und Regierungsrat Hütter um­gebauten Saal der Reitschule im Gebäude des ehemaligen fürsterzbischöflichen Hofmarstalls auf­geführt, dem heutigen Festspielhaus. Waren diese beiden Stücke mehr oder minder religiös tief an­gelegt und in dieser Strebung nicht zu ganzer, reinster Wirkung gelangt, so hatte bei ihnen ein gewisses l'art pour l'art die Oberhand, tiefer, großer bei Hofmannsthal, seichter, effektbezogener bei Vollmoeller, so kam im gleichen Jahr eine Dichtung durch Max Reinhardt im Rahmen der Festspiele zur Aufführung, die mit reiner und schlichter Menschlichkeit mächtig an die Herzen aller rührte, die groß war und unvergleichlich und die auch heute, wo immer sie auftaucht, genau so zum Herzen zuspricht, es aufrührt und erschüttert, aber nirgends auf eine Wirkung abzielt. Es war Max Mells „Apostelspiel".

Alle Spiele Max Mells, die in glücklicher Art das alte, auch heute noch auf dem Lande fort­lebende Volksspiel der Form nach wieder auf­nahmen und es mit geistiger wie dichterischer Symbolkraft in schlichten Gestalten erfüllten, tragen als Grundgedanken die Vernichtung des Bösen, des Finsteren durch die reine Gläubig­keit eines Menschen, der dadurch ohne äußeren Aufwand die finsteren Mächte ins Licht erlöst. In wunderbarer Weise ist das dem steirischen Dichter Max Mell zum erstenmal in seinem „Apostelspiel", später in seinem im Burgtheater aufgeführten „Schutzengelspiel", dem „Nachfolge Christi-Spiel" und schließlich im „Spiel von den deutschen Ahnen" gelungen. Diese Dichtungen sind zeitlos. Es bindet sie kein Stil, kein Sensationsgelüst, keine Zeitbedingtheit an Jahr und Tag. Der sichere Spürsinn Max Reinhardts hatte das erkannt und eine Aufführung zustande gebracht, die mit großen Schauspielern Vollendetes in ergreifender Schlichtheit erreichte. Das Bauernmädchen Magdalena (Helene Thimig) wird in einsamer Hütte mit einem uralten Großvater von zwei herum­strolchenden Soldaten heimgesucht, die Mord und Raub beabsichtigen. Die beiden Gauner, die sich für ihr Vorhaben, die Naivität des kindlichen Mädchens ausnützend, als die Apostel Petrus und Paulus ausgeben, brechen nach und nach, über­strahlt und besiegt von der religiösen Größe Magdalenas, in sich zusammen, stehen von ihrem furchtbaren Vorhaben ab und gehen, ihre Rollen nun in anderer als der beabsichtigten Weise zu Ende spielend und das Mädchen in seinem schönen Glauben belassend, gewandelt von hinnen. Der Großvater war damals Hermann Thimig. Die falschen Apostel gaben Karl Goetz und Oskar Homolka. Die Wiederaufnahme dieses innigsten aller modernen Weihespiele, denn ein solches ist es durchaus, würde den Festspielplan auch heute bereichern.

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